Dichterschlacht in der Bar "l’Art Scène" in Nantes
Von Mittelmässigkeiten und Beziehungsproblemen - Eindrücke einer internationalen Poetry Slam
Die norddeutschen Schriftsteller Björn Högsdal und Moritz Neumeier sind am 23. April im Café "l’Art Scène" Seite an Seite mit lokalen französischen Slammern aufgetreten. Die von dem Nanteser Slammer M. Mouch moderierte internationale Dichterschlacht bildete zugleich den Abschluss der deutsch-französischen Autorenbegegnung, erste Etappe eines Austauschs unter Poeten aus Schleswig-Holstein und der "Région des Pays de la Loire". Den Artikel auf französisch lesen.
Wo das Gute der Welt sich mit Übeln vermischt, da ist nichts mehr nur gut, aber auch nichts mehr nur schlecht. Und mal ganz pragmatisch – mir ist das recht!
« Ich habe mich neulich beim Grübeln erwischt », beginnt Björn Högsdal. « Wo das Gute der Welt sich mit Übeln vermischt, da ist nichts mehr nur gut, aber auch nichts mehr nur schlecht. Und mal ganz pragmatisch – mir ist das recht ! »
Vor dunkelroten Wänden trägt der Kieler Autor seine Zeilen vor, eine Lichterkette schmückt den breiten Spiegel in seinem Rücken, eine Gitarre ist in die Ecke gelehnt. Das Café « l’Art Scène » in der Nanteser Innenstadt ist bis auf den letzten Platz besetzt. Die Dichterschlacht mit den deutschen Schriftstellern Björn Högsdal und Moritz Neumeier, moderiert von dem französischen Slammer Monsieur Mouch, hat ein internationales Publikum angelockt : Neben Franzosen und Deutschen verfolgen auch junge Spanier, Briten und Belgier an diesem Freitagabend den vom Centre Culturel Franco-Allemand organisierten Poeten-Kontest. Die Übersetzungen der deutschen Texte werden neben den Künstlern auf eine Leinwand projiziert.
Von Politik, der Liebe und dem Alltag eines jungen Vaters
Während der 35-jährige Högsdal über eine insgesamt vor allem mittelmässige Welt nachgrübelt, sieht sein jüngerer Kollege Neumeier schon deren Ende voraus : « Die ganze Welt geht gerade den Bach runter ! Und ihr, ihr lacht munter. » Neben politischen Themen schreibt er vorzugsweise über die Liebe, über Enttäuschungen und Beziehungsprobleme. Zum Slammen inspiriert haben den jungen Schriftsteller zunächst politische Gedichte Kästners und Tucholskys. Mittlerweile leitet er Poetry-Slam-Workshops für die Kieler Kulturagentur Assemble ART. Deren Mitbegründer Högsdal dichtet insbesondere über die Absurdität des Alltäglichen sowie die Alltäglichkeit des Absurden. Seine Texte nährt er gern aus Impressionen aus seinem Leben als junger Vater, wie in « Spielgruppe » : « Die soziale Interaktion muss sich noch etwas entwickeln, vor allem unter den Eltern. Das mit der sprachlichen Entwicklung läuft aber gut, mein Sohn kann drei neue Schimpfwörter. Ich sogar fünf. Ich freu mich schon auf nächste Woche... »
Ein deutschsprachiger Slam-Workshop an einer französischen Schule
Beide Autoren lieben es, mit ihren Texten das Publikum zu spalten : Die eine Hälfte buht, die andere applaudiert... Der Besuch der Kieler Poeten in Nantes - erste Etappe dieses deutsch-französischen Dichteraustauschs - beruht auf der Partnerschaft der « Région des Pays de la Loire » mit dem Land Schleswig-Holstein. Der Rückbesuch von M. Mouch als Vertreter der lokalen Nanteser Slamszene ist für Herbst 2010 geplant. Vor dem eigenen Auftritt an diesem Abend haben Högsdal und Neumeier Slam-Kurse für französische Schüler gegeben : Die Poetry Slam im « l’Art Scnène » bildet zugleich den Abschluss einer Woche deutschsprachiger Workshops im Lycée A. Camus. Für die beiden Künstler war es der erste Workshop, den sie in Frankreich organisiert haben. Die Wertungssysteme der Slam-Beiträge seien unterschiedlich in den beiden Ländern, erläutert Högsdal. Im Gegensatz zu den Regeln des Nachbarlandes greifen in Deutschland oftmals basis-demokratische Prinzipien : Das Publikum ist die Jury.
Die ganze Welt geht gerade den Bach runter! Und ihr, ihr lacht munter.
Beiträge aus der lokalen Nanteser Slamszene
An diesem Abend erfolgt keine Wertung, dafür ergreifen auch andere (Amateur-)Dichter das Wort. Eine Französin präsentiert ein deutsch-französisches Gedicht über eine Reise zum Prenzlauer Berg in Berlin (« Sept ans d’allemand au collège et Google translations, nous avons fait quelque chose », Sieben Jahre deutsch in der Schule und Google translations, wir haben etwas ausgearbeitet), auf Moritz’ wiederholt abgehandelte Beziehungsprobleme kontert eine junge Poetin mit der Darstellung alltäglicher Single-Probleme, und der chilenische Dichter Patricio Rojas San Martin trägt einige Zeilen über einen nur wenige Tage zurückliegenden geselligen Grillabend vor : « Vienne qui Vienne ».
Und die Ergebnisse der Grübeleien Högsdals über die Vor- und Nachteile des Lebens als solchem ? « Plus gepaart mit Minus führt immer zum Patt », führt der Autor aus. « Das Schicksal spielt auf Remis – nicht auf schachmatt. Im Großen und Ganzen, im Kleinen und Teilen, ist die Welt schon o.k. Gut, man müsste dran feilen. »
Verena Schneider
Fotos : CCFA de Nantes / Verena Schneider
Weitere Informationen :
Die Website des CCFA
Die Webite von Björn Högsdal
Die Webite von Moritz Neumeier
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