PORTRAIT
Im Gespräch mit Peter Kurzeck
Am 18. Mai 2011 stellt der Autor Peter Kurzeck in La Manufacture in Nantes im Rahmen einer Lesung sein Werk vor. Aus diesem Anlass bietet das deutsch-französische Kulturzentrum, das den Autor eingeladen hat, eine ganz besondere Möglichkeit, in das Werk Kurzecks einzutauchen : einen Hörbuch-Parcours, der sich über mehrere Monate und verschiedene Orten in der Nanteser Innenstadt erstreckt. Mit schlichter Poesie meditiert Kurzeck über interkulturelle Begegnungen, die eigenartigen Umwege des Lebens sowie über die Wichtigkeit und die Komplexität menschlicher Beziehungen. Außerdem spricht er über seine Liebe zu Frankreich, einem Land, von dem er nie genug bekommen kann. Lire cet article en français
Peter Kurzeck, 1943 in Tachau, Böhmen, geboren, wird 1946 mit seiner Familie von dort vertrieben. Sie flüchten ins hessische Staufenberg. Seit 1977 arbeitet Kurzeck hauptberuflich als Schriftsteller. Nachdem er an verschiedenen Orten gewohnt hat, lebt er seit 1993 in Frankfurt am Main und im südfranzösischen Uzès.
Kurzecks oftmals autobiografisches Werk ist geprägt von seiner detaillreichen Art, seine Umwelt zu beschreiben und somit einen neuen Blick auf Alltägliches zu ermöglichen. Der mehrfach preisgekrönte Autor wird aufgrund der Erinnerungsarbeit, die in seinen Werken allgegenwärtig ist, mit Marcel Proust verglichen. Er gehört zu den innovativsten zeitgenössischen Autoren Deutschlands ; so lässt er die Zuhörer bei seinen Hörbüchern oftmals Zeuge bei der Entstehung eines literarischen Werks werden, da er die Hörbücher ohne Manuskriptvorlage aufnimmt.
Ich liebe es mit den Augen zu leben
Sie leben seit 1993 in Frankreich, dennoch verfügen Sie über wenig Französischkenntnisse. Warum ?
Ich liebe es mit den Augen zu leben, es ist ein wunderbar anziehender Zustand. Ich finde es ist ein Luxus. Und ich spreche auch kein Französisch, um nicht immer gleich Bescheid zu wissen.
Wie funktioniert das Leben in Frankreich ohne Französischkenntnisse ? Wie gehen die Franzosen damit um ?
Seit ich 18 bin komme ich immer wieder zurück nach Frankreich, weil ich einfach nicht genug kriege von diesem Land. Dass ich kein Französisch spreche, ist keine Missachtung des Landes. Ich schreibe ja auch an einem Buch über Frankreich, das wird das übernächste Buch sein.
Im Großen und Ganzen ist es den Franzosen egal. Manchmal wundern sie sich, aber im Gemüseladen kennen sie mich, wissen dass ich Autor bin, das ist immer eine Erklärung für alle möglichen Eigenheiten, die ich an den Tag lege. Die denken dann „dieser Ausländer“. In diesem kleinen Ort, in dem ich lebe, sprechen die Leute mehr miteinander als z.B. in Paris und daher nehmen sie Eigenheiten ganz anders wahr.
Sobald ich dann wieder nach Deutschland fahre, steigt mein Blutdruck, und alles ist mir so laut.
Warum haben Sie sich für Frankreich als Wahlheimat entschieden ?
Ich war immer wieder in Frankreich, aber natürlich nicht nur, ich war auch oft in Italien. Damals war ich verliebt in eine Kollegin. Anfang der 90er Jahre haben wir uns dann ein Haus gesucht zum Leben. Wir haben uns entschieden, ein Haus zu kaufen, aber wir wurden mehrmals enttäuscht. Dann steht in der Anzeige „Liebevoll gepflegtes märkisches Bauernhaus“ und man denkt an ein Haus, in dem Fallada gelebt haben könnte, und dann ist das so eine schimmelbefallene Ruine, die kein Abwassersystem hat, mit einer Sickergrube, und deprimierend teuer.
Sie hatte einen 8-jährigen Sohn und ich habe ihm von Martigues vorgeschwärmt, ich habe ihm erzählt, wie die Schiffe morgens in den Hafen fahren. Und dann kam uns die Idee, dass wir im Süden leben wollen. Dann ist es ja so, dass Frauen viel zielbewusster sind. Mir hätte es genügt, immer wieder zu sagen, ja wir fahren da hin, doch sie sagte : „Du nimmst Deine Tochter und ich meinen Sohn.“ Dann sind wir in den Osterferien hingefahren, um zu sehen, wie das Leben da ist. Und in der Nähe von Uzès fanden wir ein kleines Haus mit einem riesigen Grundstück. Im Frühling haben wir dann den Vorvertrag abgeschlossen, und im Sommer sind wir wieder hingefahren und dann haben wir uns getrennt. Dann hatte man was man wollte und merkte dann, dass man das gar nicht aushält. Dann bin ich einfach in die nächste Stadt gezogen, um das besser zu verstehen… wir haben uns dann noch 1,5 Jahre täglich gesehen, und dann nicht mehr.
Und jetzt wohne ich immer noch dort und hab noch immer nicht genug. Man merkt das an zwei Dingen : Wenn man wiederkommt, merkt man wie wunderbar es ist, wieder hier zu sein und vor der Abfahrt, wenn die Dinge immer schöner werden. Außerdem kann ich hier wunderbar arbeiten und ich sehe Deutschland ganz deutlich vor Augen und das Dorf meiner Kindheit.
Sobald ich dann wieder nach Deutschland fahre, steigt mein Blutdruck, und alles ist mir so laut. In Frankreich ist auch Lärm, aber der stört mich nicht, in Deutschland fühlt man sich immer zuständig.
Ist es richtig, dass sie im ehemaligen Haus des französischen Schriftstellers André Gide wohnen ?
Ja, das Haus gehörte seiner Familie und es taucht auch in seinen Tagebüchern auf, und er verbrachte viele Sommer und Winter dort. Manchmal komme ich spät nach Hause, was selten ist, weil ich kein Gesellschaftsleben habe, zumindest nicht vorsätzlich, und dann steht er da ihm Hof. In Südfrankreich haben die Häuser so einen Hof, und manchmal abends steht dann der André Gide da und versucht mich in ein Gespräch zu verwickeln.
Anja Nicke
Foto P. Kurzeck : Erika Schmied
Mehr Infos
Am 18. Mai lädt das Ccfa die Schrifstellerin und Ubersetzerin Cecile Wajsbrot ein, um den Dialog mit Peter Kurzeck zu führen.
An verschiedenen symbolischen Orten in Nantes kann man von März bis Juni Auszüge aus Kurzecks Hörbuch „Da fährt mein Zug“ hören. In diesem erzählt er von einer Reise von Frankfurt nach Uzès mit Zwischenstopp in Straßburg. Weitere Informationen finden sich auf der Website des CCFA.
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